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Neuromythen über das Lernen

Neuromythen über das Lernen

«Wenn ein Lehrer weiss, dass sich die Fähigkeiten seiner Schülerinnen und Schüler verändern und entwickeln können», sagt Roland H. Grabner «glaubt er auch mehr an seine Selbstwirksamkeit im Beruf.»

1.) Begrenzte Lernphasen Mythos:

Mythos: Das Alter von 0 bis 3 Jahren ist ein kritisches Zeitfenster, danach können bestimmte Dinge nicht mehr gelernt werden. Die Kleinkinder sollten deshalb möglichst viele und gute Stimuli erhalten, zum Beispiel klassische Musik hören.

Wissenschaftliche Evidenz: Zwar gibt es sensible Phasen, in denen spezifische Dinge (zum Beispiel Spracherwerb, Verarbeitung visueller Signale) von den zuständigen Hirnarealen schneller gelernt werden, und die vollständige Absenz von Anregungen kann sogar zu irreversiblen Schäden führen. Doch die Fähigkeit des Gehirns, neue Nervenverbindungen zu bilden – seine Plastizität –, hält ein Leben lang an. Zudem wird der Lernprozess nicht durch die Art der Stimuli selbst bestimmt, sondern dadurch, wie sie verarbeitet werden. Dieser Prozess lässt sich nicht kontrollieren.

2.) Linke und rechte Gehirnhälfte

Mythos: Die linke Hirnhälfte denkt analytisch, verbal und rational, die rechte Hälfte ist kreativ, intuitiv und nichtverbal, und unser Schulsystem fokussiert zu sehr auf die linke Hirnhälfte.

Wissenschaftliche Evidenz: Tatsächlich unterscheiden sich die beiden Hirnhälften in ihrer Struktur und Funktion. Doch bei allen für das Lernen relevanten Aufgaben sind Areale beider Hirnhälften involviert, die zudem über den Balken (Corpus Callosum) mit einem Strang von 250 Millionen Nervenzellen verbunden sind und ständig kommunizieren. Beim Spracherwerb etwa findet das Erkennen der Sprachmelodie oder das Lesen zwischen den Zeilen in der «nonverbalen» rechten Hirnhälfte statt.

3.) Muttersprache beherrschen

Mythos: Bevor man eine zweite Sprache lernt, sollte man die Muttersprache perfekt beherrschen, sonst entsteht ein Durcheinander der beiden Sprachen im Gehirn, mit schädlichen Folgen für die Entwicklung des Kindes.

Wissenschaftliche Evidenz: Die Forschung zeigt, dass der Mensch dank der Flexibilität seines Gehirns eine hohe Fähigkeit hat, verschiedene Sprachen gleichzeitig zu erwerben. Gemäss Studien verstehen zweisprachige Kinder die allgemeine Struktur von Sprachen besser und können sie auch besser anwenden.

Artikel (NZZ Matthias Meili,1.8.2024)

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